Aktuelles


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Meine Bilder sind zur Zeit zu sehen in der virtuellen Ausstellung des Bahnsozialwerkes.

04 Juni 2020

Erfahrungen mit Wandmalerei / Experiences with wall painting / Expériences en peinture murale

Hier soll das Malen mit Hilfe einer Vorlage gezeigt werden. Genau genommen scheint dieses Vorgehen „unkünstlerisch“ zu sein, aber dieses „handwerkliche Vorgehen“ kann die Grundlage für eine spätere eigene, künstlerische Bildgestaltung sein.
Normalerweise war mir das Malen auf Wandflächen ein Buch mit sieben Siegeln, bis die StreetArt und die Sprayer auftauchten und überall ihre Duftmarken hinterließen. Ich habe es auch damit versucht, habe aber schnell aufgegeben, da es schlecht für meinen Atem war und die Spraydosen schnell verbraucht waren – eine teure, gefährliche Angelegenheit.
Unser Hof in Bobo-Dioulasso/Burkina Faso ist umgeben von einer hohen Betonsteinmauer, zur Straße hin von einer Hecke geschmückt. Ich habe zuerst selbst, dann mit Hilfe eines Maurers große rechteckige, glatte Betonflächen geschaffen. Wie sollte ich jetzt darauf Wandbilder malen?
Die normalen Farben für Außen- und Innenwände kamen nicht in Frage, da sie auf die Dauer nicht dem tropischen Regen Stand halten würden. Im Laden für Malerbedarf fand ich Autolackfarben, mit denen auch unsere Türen und Fenster gestrichen wurden. Daraus mischte ich mir mit einer Art Terpentin in vielen Plastikdosen meine benötigten Farben.

Farben: Ich habe keine schwarze Farbe verwendet, sondern die Farbmischungen möglichst mit Komplementärtönen abgedunkelt. Verführerisch war die Verwendung von Weiß. Ich merkte schnell, dass die Farben damit milchig blass wurden. Die jeweiligen Mischungen habe ich mit Ziffern gekennzeichnet und auf einem Blatt Papier notiert. Beim nächsten Mal werde ich dabei auch die Art und Menge der Mischungen festhalten, um die jeweilige Farbe bei späteren Korrekturen wieder herstellen zu können. Eine besonderes Problem waren die hohen Außentemperaturen bis 38 Grad im Februar/März, sodass die gemischten Farben in den Kunststoffdosen trotz Deckel bald eintrockneten.

Grundierung: Wichtig erwies sich ein homogener, rissfreier, nicht zu glatter Untergrund. D.h. die Betonfläche sollte von einem Maurer hergestellt werden. Meine eigenen Arbeiten hierzu erwiesen sich als ungeeignet, sodass sie bei einem früheren Wandbild bald Risse und Abplatzungen bekamen. Als Grundierung dienten mehrere Schichten weißer Lackfarbe. Hiermit kann mannatürlich spielen und durch verschiedenfarbige Untergründe dem späteren Bild bereits eine gute Richtung geben.

Bildthema: In diesem Jahr sollten meine Wandbilder gegenständlich sein, möglichst Landschaftsmotive zeigen, um damit den tropischen Garten, der das Haus umgibt, zu ergänzen. Ich fand Fotos aus Neuseeland, deren Ruhe mich ansprachen. Die Auswahl einer guten Vorlage ist oft die Hälfte eines gelungenen, späteren Bildes, denn durch die Auswahl beginnt bereits der individuelle, künstlerische Prozess.

Übertragung der Bildvorlage auf die Wandfläche: Das ausgewählte Foto im jpg- Format wurde auf dem Computer mit einem Fotobearbeitungsprogramm (z.B. Photoshop) so gefiltert, dass es auf wenige Tonstufen (z.B. 6) reduziert wurde. Anschließend wurde dieses Foto in eine pdf-Datei umgewandelt und mit einem groben Raster schwarzer Linien überzogen, damit es auf die Wandfläche übertragen werden kann. Die Umrechnung der Größe der pdf-Fläche auf die Wandfläche ergab bei mir einen Liniennetzabstand von z.B. 43 cm. Anhand dieses Liniennetzes auf dem ausgedruckten pdf-Blatt konnten die Grenzlinien der Farbflächen der Vorlage leicht auf die Wand übertragen werden. Dieses Übertragungsverfahren ist 
seit Jahrhunderten in der Malerei üblich, ist nichts Neues. Die Größe der Wandfläche verlangt nur etwas mehr Arbeit als bei kleineren Bildformaten. Das ist alles. Für die Übertragung auf die Wand verwandte ich Wachsmalfarben. Dabei sollte man allerdings nicht zu dunkle Farbstifte verwenden, da beim späteren Auftragen der Lackfarben die Farben der Wachsmalstifte aufgelöst werden und die jeweilige Farbe verändern können, so dass dort mehrmals überstrichen werden muss. Anfangs hatte ich einen dicken Graphikstift verwendet. Dieser verschmutzte die später aufgetragenen, hellen Farben. 

Malprozess: Das Gute an dieser Vorgehensweise mit Malen nach Vorlage ist, dass man sich lange Zeit auf das handwerkliche Vorgehen konzentrieren kann, ohne zu große Anforderungen an die eigene künstlerische Individualität stellen zu müssen. Es geht also erst einmal um ein „Malen nach Zahlen“. Das klingt etwas einfältig, hat aber den großen Vorteil, dass man damit relativ schnell etwas auf die Bildfläche bekommt. Und dabei lernt man gut, dass es beim Malen um das Aufbringen von großen und kleinen Flächen geht, also nicht um Linien, sondern immer um Flächen, auch bei langgezogenen, linienartigen Flächen. Und jede Fläche stößt an eine andere und kommuniziert mit Größe, Helligkeit und Farbe mit den benachbarten Flächen. Es geht also nicht um ein „freies Malen“ mit „wilden Linien“, sondern ich werde durch die Arbeit mit der Vorlage erst einmal quasi diszipliniert.
Die übertragenen Flächen malte ich mit den Wachsmalstiften locker aus, um einen gewissen Eindruck des späteren Bildes zu bekommen. Bei der Übertragung der Farbflächen und dem Ausmalen mit den Wachsmalstiften wurde mir bewusst, dass ich bei meinem Wandbild nicht alle Tonabstufungen der Vorlage übernehmen würde. Das würde für mich zu detailliert werden. Hier beginnt der individuelle Prozess zu meinem Wandbild.
Ich begann das Malen oben mit den großen Flächen und arbeitete mich langsam nach unten vor, zuerst mit den hellen Farben. Erst später kamen die dunkleren Farben und die kleineren Flächen dran. Jeder Quadratzentimeter der Wandfläche wurde in der selben Qualität bearbeitet. Das dauerte bei zwei großen Wandflächen von jeweils 1,75 x 2 m etwa 10 Tage.

FazitIm Ergebnis bekam ich eine Übertragung meiner Fotovorlage, die ohne besonderen künstlerischen Anspruch war. In einer zweiten Stufe hätte ich mit einer individuellen Überarbeitung des Bildes beginnen können. Das unterblieb bisher. So hat unser Hof erst einmal eine Art Wandschmuck mit Ausblick in eine andere Welt, der zeigt, dass auch ein rein handwerkliches „Malen nach Zahlen“ ansprechende Ergebnisse bringen kann.










Dietrich Ebersbach 02.05.2020